BARF – eine Herausforderung für Tierbesitzer und Tierärzte | Fachartikel

BARF (Bones And Raw Foods) steht für biologisch artgerechte Rohfütterung und erfreut sich seit Jahren wachsender Beliebtheit bei Tierhaltern. Eine Fütterungsform mit Vor- und Nachteilen. Der Wunsch, Hund oder Katze möglichst natürlich und gesund zu ernähren, macht Barfen zu einem emotionalen Thema. Wir Tierärzte sollten die Besitzer vertrauensvoll beraten und gleichzeitig für die Risiken sensibilisieren können.

„Mir ist wichtig, dass wir als Tierärzte über die Risiken aufklären, aber nicht verurteilen. Häufig liegt ja der Wunsch zugrunde, nur das Beste für sein Tier zu wollen.“ (Tierärztin & Haustier-Ernährungsexpertin Susanne Scherber)

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Wie viel Wolf steckt noch im Hund?

Nach über 10.000 Jahren Domestikation haben sich Anatomie, Lebensweise und Ernährungsphysiologie angepasst. Hunde haben einen geringeren Energiebedarf als ihre Vorfahren. Das Zusammenleben mit dem Menschen führte zudem zu einer höheren Genexpression und Aktivität von Amylase. Dies macht auch Stärke für Hunde verwertbar. Der carnivore Wolf hat sich zu einer carni-omnivoren Art entwickelt.

Die Ernährungsweise des Wolfes lässt sich daher nicht komplett auf den domestizierten Hund übertragen. Dem wild lebenden Wolf sichert die unregelmäßige Nahrungsaufnahme nach kräftezehrender Jagd lediglich das Überleben und letztlich den Fortbestand der Art. Im Gegensatz dazu können wir unseren Hunden ein möglichst langes und gesundes Leben durch optimale Ernährung ermöglichen.

Stolpersteine in der Zusammensetzung

Für eine bedarfsdeckende Ration sollte ein Experte zurate gezogen werden. Über- oder Unterversorgung manifestieren sich längerfristig zu gravierenden Gesundheitsschäden und bei Welpen zu irreparablen Entwicklungsstörungen.

Die BARF-Ration besteht aus rohem Fleisch, Innereien, rohen fleischigen Knochen und wenigen pflanzlichen Anteilen. Sie soll die natürliche Beute von Wölfen nachbilden. Während der Wolf seine Beutetiere buchstäblich mit Haut und Haaren verschlingt, stehen uns nur wenige Teile von Schlachttieren zur Verfügung. Essenzielle Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente müssen für eine bedarfsdeckende Ration supplementiert werden. Nachfolgend einige Beispiele häufiger Fehlversorgungen:

Jod ist für die Schilddrüsenfunktion und den gesamten Stoffwechsel essenziell. Gängige Jodquellen sind Seealgen und einige Fischarten. Vorsicht bei der Fütterung von Schlundfleisch mit Schilddrüsengewebe, die enthaltenen Hormone führen zu einer alimentären Hyperthyreose.

Vitamin D ist unter anderem am Knochenstoffwechsel beteiligt. Ein Mangel führt beim Jungtier zu Rachitis, beim adulten Tier zu Osteomalazie. Anders als der Mensch können Hunde und Katzen kein Vitamin D mithilfe von Sonnenlicht bilden. Der Bedarf muss vollständig über die Nahrung gedeckt werden. Gut eignen sich hierfür Lebertran, Eigelb und Fisch.

Ebenfalls essenziell für den Knochenstoffwechsel sind die Mineralstoffe Calcium und Phosphor. Ein Mangel im Wachstum führt zu bleibenden Schäden an Knochen und Gelenken. Beim adulten Tier verursacht Calciummangel eine Demineralisierung der Knochen. Überversorgung begünstigt wiederum Nierenerkrankungen und hemmt die Aufnahme anderer Nährstoffe wie Kupfer und Zink. Da der Calciumgehalt in Schlachttierknochen schwanken kann, ist eine Versorgung über Knochenfütterung nicht sicher kalkulierbar.

Verträglichkeit und Risiken der Knochenfütterung

Ein häufig genannter Vorteil von BARF ist eine bessere Verträglichkeit und gesunde Verdauung. Jedoch haben Pansen, Blättermagen und einige Innereien wie Lunge und Euter durch ihren hohen Bindegewebsanteil eine schlechte Verdaulichkeit und können Probleme verursachen.

Ein hoher Knochenanteil der Ration führt häufig zu Bildung von Knochenkot und Verstopfungen. An massiven Röhrenknochen kann sich der Hund außerdem Zahnfrakturen zuziehen und Splitter gekochter Knochen können ernsthafte Verletzungen im Maul oder Magen-Darm-Trakt verursachen.

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Dann doch lieber ein Fertigmenü?

Richtig Barfen ist fehleranfällig, kosten- und zeitintensiv. Eine bedarfsdeckende Ration variiert je nach Alter, körperlicher Aktivität und Gesundheitszustand. Die Rationserstellung erfordert Fachwissen in Tierernährung und Futtermittelkunde. Sie sollte daher durch einen Ernährungsspezialisten erfolgen. Bei Welpen und Jungtieren bis zum sechsten Lebensmonat muss die Ration zudem monatlich überprüft und angepasst werden.

„Barfen ist nie einfach, wenn man es richtig macht.“ (Tierärztin & Haustier-Ernährungsexpertin Susanne Scherber)

Wer diesen Aufwand scheut, greift gern zu bequemen BARF-Fertigmenüs. Diese wirken wie ein bedarfsdeckendes Alleinfuttermittel, sind jedoch meist unausgewogen und es fehlen essenzielle Nähr- und Mineralstoffe. Auch Rezepte aus dem Internet und Komplettmischungen von Vitaminen und Mineralstoffen sollten kritisch geprüft und gegebenenfalls für das eigene Tier angepasst werden.

Eine Frage der Hygiene

BARF birgt auch ein gewisses Gesundheitsrisiko für Tiere und Menschen. Über die Rohfleischfütterung können Hund und Katze eine Vielzahl von Bakterien und Parasiten aufnehmen und verbreiten, darunter auch humanpathogene Erreger. Wichtig im Umgang mit Rohware ist daher ein Höchstmaß an Hygiene sowie eine ununterbrochene Kühlkette bis in die heimische Küche.

Untersuchungen von BARF-Menüs, unter anderem durch die Stiftung Warentest und die Universität Zürich, wiesen mehrfach erhöhte Keimzahlen auf. Darunter auch multiresistente Keime (MRSA). So wurden sowohl in BARF-Produkten als auch den Ausscheidungen gebarfter Tiere wiederholt Salmonellen, Enterobakterien, Yersinia und Campylobacter spp. nachgewiesen.

Rohfleisch und Innereien können außerdem für Menschen und Tiere infektiöse Parasitenstadien von Toxocara spp., Toxoplasma gondii und Echinococcus granulosus enthalten. Auch kommt es durch Ausscheidungen von Taenia spp., Neospora caninum und Sarcocystis spp. zur Kontamination von landwirtschaftlichen Nutzflächen und Futtervorräten.

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Fazit

Eine bedarfsdeckende BARF-Ration erfordert Fachwissen und verschiedene Krankheitserreger im Rohfleisch bergen ein gesundheitliches Risiko für Mensch und Tier. Für die Tierhalter ist die Ernährung jedoch ein emotionales Thema, sie wollen ihre Schützlinge optimal versorgt wissen. Tierärzte haben die heikle Aufgabe, ihre Kunden vorurteilsfrei über Gefahren und Risiken aufzuklären.

 

//INL