Der Dermoid-Sinus des Hundes | Fachbeitrag

Wird ein Hund der Rasse Rhodesian Ridgeback aufgrund einer schmerzhaften Schwellung am Rücken und möglicherweise sogar neurologischen Auffälligkeiten vorgestellt, denkt vermutlich jede Tierärztin und jeder Tierarzt an einen Dermoid-Sinus als Differentialdiagnose. Doch auch Hunde, die weder einen Aalstrich ausbilden, noch in verwandtschaftlicher Beziehung zur Rhodesian Ridgeback-Linie stehen, können sporadisch von dieser Erkrankung betroffen sein. Bei einem Großteil der Fälle werden Dermoid-Sinus zu einem Zeitpunkt erkannt, wenn die Patienten bereits mehr oder weniger schwere Symptome entwickelt haben. Dabei könnte diese angeborene Fehlbildung lange vor dem Auftreten von Komplikationen in jeder Praxis festgestellt werden. Die gründliche Palpation der Mittellinie stellt eine einfache Früherkennungsmaßnahme für Dermoid-Sinus dar und sollte standardmäßig bei der klinischen Untersuchung aller Welpen und Junghunde durchgeführt werden.

Dermoid-Sinus sind hereditäre embryonale Fehlbildungen

Ein Dermoid-Sinus entsteht im Embryo, wenn sich das Oberflächenektoderm nicht vollständig vom Neuroektoderm abtrennt. Daraus resultiert eine strangartige, teilweise kanalisierte oder auch zystische Einziehung der äußeren Haut, die bis dicht an das Rückenmark in die Tiefe ziehen kann. Prinzipiell sind Tiere mit einem Aalstrich für diese Fehlbildung prädisponiert. Entsprechend ist die Rasse Rhodesian Ridgeback besonders betroffen. Innerhalb ihrer Population weisen etwa 6% der Hunde einen oder mehrere Dermoid-Sinus auf. Interessanterweise können auch Hunde dieser Rasse, die keinen Aalstrich ausbilden, Merkmalsträger und Vererber des Gendefektes sein. In der Literatur zeichnet sich ein autosomal-rezessiver Erbgang ohne eine Geschlechtsprädisposition ab.

Wie sind die Befunde der klinischen Untersuchung?

Klinisch können Dermoid-Sinus bereits im Welpenalter per Palpation festgestellt werden. Dafür wird die Haut in der Medianen angehoben und die dabei entstehende Hautfalte durch die Finger gleiten gelassen. Nach einer Rasur ist auch die zugehörige Öffnung als kleine dunkle Einziehung in der Haut gut zu erkennen. Gelegentlich bildet ein Sinus auch mehrere Öffnungen an der Hautoberfläche. Es können aber auch mehrere Dermoid-Sinus bei einem Tier vorkommen. Sie befinden sich stets in der Mittellinie. Die häufigsten Lokalisationen sind der Nacken und die Lendenregion, vereinzelt sind aber auch schon Dermoid-Sinus auf dem Nasenrücken oder dem Kopf beschrieben worden. Beim Rhodesian Ridgeback gilt es zu beachten, dass sich die Veränderung niemals im Aalstrich selbst, sondern stets cranial oder caudal davon befindet. Die Auskleidung des Dermoid-Sinus entspricht der äußeren Haut, inklusive ihrer Adnexe wie Haarfollikel und Talgdrüsen. Zu Problemen kann es kommen, wenn Bakterien über die Sinus-Öffnung einwandern und Entzündungsreaktionen auslösen. Der Schweregrad der möglichen Symptome wird davon bestimmt, welche Gewebestrukturen der Sinus in der Tiefe erreicht. Die meisten Patienten werden mit Knoten oder schmerzhaften Schwellungen in der Mittellinie des Körpers vorgestellt. Ragt der Dermoid-Sinus bis an die Wirbelsäule und das Rückenmark heran, sind zusätzlich Hyperästhesien und Gangauffälligkeiten zu beobachten.

Dermoid-Sinus werden in 5 verschiedene Klassen eingeteilt

Dermoid-Sinus können sich auf die Subkutis beschränken oder sich in die darunterliegende Muskulatur bis an die Rückenmarkshäute ausdehnen. Sie können vollständig kanalisiert oder solide sein. In Abhängigkeit dieser Merkmale werden sie in fünf verschiedene Kategorien eingeteilt. Die Typen 1 bis 3 erstrecken sich von der Hautoberfläche bis zum Lig. supraspinale bzw. nuchae. Dabei ist Typ 1 vollständig, Typ 2 unvollständig und Typ 3 nur auf Höhe der Subkutis kanalisiert. Typ 4 stellt die schwerwiegendste Form dar. Hier erreicht der Sinus den Spinalkanal bzw. Subarachnoidalraum und verursacht verschiedene Malformationen der Wirbelkörper bis hin zu einer Spina bifida. Typ 5 wiederum ist als geschlossene Zyste in der Unterhaut charakterisiert, die keine Verbindung zur Hautoberfläche ausbildet. Sie bereitet in der Regel keine Probleme. Sofern eine Kanalisierung mit einer Verbindung zur Hautoberfläche vorliegt, besteht das Risiko einer Infektion mit Bakterien, Dermatophyten oder Parasiten. Insbesondere Typ 4 Dermoid-Sinus können über diese Eintrittspforte Meningitiden und Myelitiden begünstigen.

Was folgt auf den positiven Palpationsbefund?

Dermoid-Sinus sollten mittels Schnittbilddiagnostik weiter charakterisiert werden. Da kanalisierte Sinus leicht mit den Aa. spinosi verwechselt werden können, empfiehlt sich eine Bildbeurteilung durch erfahrene Radiolog:innen. Die früher praktizierte Darstellung der Kanäle per Fistulographie im konventionellen Röntgen entspricht aufgrund der unzuverlässigen Ergebnisse und der Infektionsgefahr nicht mehr dem heutigen Standard.

Die Resektion wirkt prophylaktisch und therapeutisch

Patienten mit einem Dermoid-Sinus haben im Allgemeinen eine gute Prognose. Darüber hinaus hilft eine frühzeitige Diagnosestellung, unnötige Belastungen und mögliche Komplikationen zu vermeiden. Selbst Patienten, die mit neurologischen Beschwerden vorgestellt werden, weisen in der Regel nach der chirurgischen Behandlung eine deutliche klinische Besserung auf. Grundsätzlich sollten alle kanalisierten Formen (Dermoid-Sinus Typ 1,2 und 4) entfernt werden. Spätestens jedoch, wenn Symptome auftreten, ist ergänzend zur antimikrobiellen und antiphlogistischen Behandlung die chirurgische Intervention unumgänglich. Damit es in der Folge zu keiner Fistelbildung kommt, ist es von entscheidender Bedeutung, sämtliche Anteile des Sinus zu entfernen. Anschließend sollte eine histopathologische Untersuchung zur Bestätigung des Operationserfolges eingeleitet werden.

Mit Merkmalsträgern darf nicht gezüchtet werden!

Es ist besonders wichtig, die Halter:innen betroffener Hunde darüber aufzuklären, von einem Zuchteinsatz dieser Tiere abzusehen bzw. die Kastration zu empfehlen. Es ist bislang kein Gentest zur Identifizierung der Dermoid-Sinus-Träger verfügbar und auch der Erbgang dieses hereditären Leidens ist noch nicht abschließend geklärt.

Fazit

Das Auftreten von Dermoid-Sinus ist für den einzelnen Hund mit Belastungen verbunden, die bei frühzeitiger Behandlung gut beherrschbar sind. Insbesondere innerhalb der Rasse Rhodesian Ridgeback muss im Sinne des Tierschutzgesetzes eine konsequente Zuchthygiene erfolgen, um diese Erkrankung aus der Population zu entfernen. Als Screening-Maßnahme sollten Praktikerinnen und Praktiker die gründliche Palpation der gesamten Rückenlinie in ihre klinische Standarduntersuchung aller Welpen integrieren.

 

//SSC